Damals in der DDR (II)

Feature-Serie in sechs Teilen

In der zweiten Staffel der Serie rückt die Gegenwart stärker in den Mittelpunkt. Von der Staatsgründung, von großen Plänen und entbehrungsreichen Anfangsjahren, durch glückliche Phasen und die Erstarrung zum Ende der DDR geht es bis in die Gegenwart. Was wurde aus den privatisierten VEBs und LPGs, was aus Runden Tischen und Oppositionszeitungen?

Wie war das mit der DDR, was ist von ihr geblieben und wie wirkt sie heute in den Menschen nach? Eine Serie aus Interviews der mit dem Grimme-Preis ausgezeichneten TV-Produktion DAMALS IN DER DDR, Aufnahmen aus dem Deutschen Rundfunkarchiv in Potsdam und aktuellen Interviews aus den neuen Bundesländern.

Folge I – Große Erwartungen

Die frühen Jahre der DDR, das ist die Zeit der hochfahrenden Träume, der ersten Täuschungen und Selbsttäuschungen. Nur solange sie an die Parolen der Partei glauben, können sich die Besiegten des Krieges als Sieger der Geschichte fühlen. Während vom Aufbau des neuen Staates gesprochen, die Landwirtschaft mit einer Bodenreform umgekrempelt und vom Sozialismus geträumt wird, werden alle wichtigen Industrieanlagen demontiert und als Reparationsleistung in die Sowjetunion gebracht. Trotzdem ist die Zuversicht ungebrochen. BRD-DDR? Der Kampf der Systeme ist noch nicht entschieden. DDR-Comics wie die Digedags beschreiben außerirdische Welten als sozialistische Idealgesellschaften. Alles scheint möglich. Es gibt keine Grenzen sondern nur die Gewissheit – es geht voran.

Folge II – Luxus für Alle

In den 70er Jahren versprach die neue DDR-Führung unter Erich Honecker die Erhöhung des Lebensstandards, bescheidenen Konsum und bessere Lebensverhältnisse. AWG – Alle wohnen gleich, der Slogan der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft, wurde in der DDR nicht als Drohung verstanden sondern als Versprechen. Mit Intershop, Genex-Katalog, Exquisit- und Delikatläden sollten nicht nur die Konsumwünsche, sondern vor allem auch ausländische Devisen abgeschöpft werden. Ähnliches bezweckte die Staatsführung mit dem Plan, ein international konkurrenzfähiges Luxushotel zu bauen. Mit eigener Währung und eigener Versorgung wurde das Warnemünder Hotel Neptun zum Staat im Staate. Der ehemalige Hoteldirektor und eine Besucherin der ersten Stunde erinnern sich an die wilden Tage im proletarischen Grand Hotel.

Folge III – Wirtschaft nach Plan

Das Angebot an Konsumgütern gibt in den 70er Jahren ein trügerisches Bild vom Zustand der DDR-Wirtschaft und verdecken notdürftig die Versorgungsengpässe, unter denen die Wirtschaft leidet. Eine Bilanzierung, die alle Industrieprodukte vom Kleiderbügel bis zum Walzstahl erfasst und eine Verwaltung im Takt der jeweiligen Fünf-Jahres-Pläne verhindern jede Flexibilität. Industriekombinate werden dazu verdonnert einen festgeschriebenen Anteil an Konsumgütern zu produzieren. Funktionierende mittelständische Privatbetriebe, wie die Sonneberger Plüschtierfirma Breitung, werden verstaatlicht, um sie besser der staatlichen Planung zu unterwerfen. Und über allem steht der Zwang, Devisen zu erwirtschaften. Bei der Energieversorgung setzt die DDR deshalb ganz auf die heimische Braunkohle. 1979 lässt ein Wetterumschwung die DDR nicht nur im Schnee versinken, er lässt auch die gesamte Energieversorgung des Landes zusammenbrechen. Der Wetterumschwung war im Plan nicht vorgesehen.

Folge IV – Runde Tische, große Pläne

Umweltschäden, die Wirtschaft am Ende und das Volk will nicht mehr. Dieter Quester engagiert sich in der DDR für den Umweltschutz. Das wird nicht gern gesehen. Staat und Partei lassen sich nicht in die Karten gucken. Doch das Misstrauen gegen die Staatsführung wächst und Umweltaktivisten wie Dieter Quester werden immer mutiger. Das Volk übt sich im Ungehorsam und Stasi und Volkspolizei sehen sich einem für unmöglich gehaltenen Widerstand gegenüber. Das Spiel ist aus und Erich Honecker feiert im Palast der Republik ein letztes Mal den Jahrestag der Staatsgründung, während an den Runden Tische die Zeit der großen Pläne anbricht. Ulrike Meineke engagiert sich im Neuen Forum. Aus der Oppositionsgruppe heraus wird die Altmark Zeitung gegründet, die ab dem 10. Januar 1990 erscheint. Für Partei und Staat sind die Tage der Allmacht vorbei. Die Bürger reden nicht nur mit, jetzt ergreifen sie die Initiative.

Folge V – Blühende Landschaft

Die blühenden Landschaften blühten weniger als erwartet und was am Ende blieb, sah auch anders aus als erhofft. Die 1990 wieder privatisierte Plüschtierproduktion in Sonneberg (siehe Folge III – Wirtschaft nach Plan) startete als Plüti Nova in die Marktwirtschaft und ging 2005 in die Insolvenz. 2007 wagten die Kinder des Alteigentümers den Neuanfang. Aus der Fabrik ist eine Manufaktur geworden, von den ehemals über 300 Angestellten sind sechs geblieben – von Depression keine Spur, in Sonneberg weiß man, was man kann. So geht es auch den Mitarbeitern von Strike Bike. Eine handvoll Kollegen arbeitet heute in der Fahrradproduktion, die einmal zu einer VEB mit 5000 Angestellten gehörte. Als der Investor Lone Star die Fabrik stilllegte, besetzten die Mitarbeiter für 117 Tage die Produktionsstätte. Das in diesen Tagen produzierte Strike Bike war ein Stück praktizierter Kapitalismuskritik, das jetzt in Serie produziert zu einem linksalternativen Nischenprodukt wird. Mit einer Nische wäre der ehemaligen DDR-Vorzeige-LPG in Golzow kaum geholfen gewesen. Zum Überleben des Großbetriebs wurde eine Schneise gebraucht. Zu viele Maschinen auf dem Hof, zu viel Personal, zu wenig Anbaufläche. Dann wurde die Produktion rigoros umgestellt und ein Joint Venture mit einer LPG in der Ukraine vereinbart. Seither läuft der Betrieb im chronisch strukturschwachen Oderbruch.

Folge VI – Aus neu mach alt?

Sind die neuen Länder in der alten Bundesrepublik angekommen, was hat sich verändert? Wer lebt hier, wo leben die Jungen, wo die Alten? Was wurde aus den Träumen am Runden Tisch? Roland Quester (Folge IV – Runde Tische, große Pläne) baute die Umweltbibliothek in Leipzig auf, die heute zu den größten ihrer Art gehört. In Leipzig engagiert sich Quester für Die Grünen im Stadtrat. Die Altmark-Zeitung in Salzwedel gibt es immer noch und Ulrike Meineke (Folge IV – Runde Tische, große Pläne) ist jetzt Redaktionsleiterin. Sie haben die Entwicklung der letzten Jahre aus nächster Nähe erlebt, und haben sie zum Teil mit verantwortet. Wie sieht ihre Bilanz aus? Wie sehen sie die Lebenssituation in den neuen Ländern? Gibt es eine Ost-Mentalität oder doch nur West-Vorurteile?

Nicolaus Schröder

Redaktion: Ulrich Horstmann, WDR 2009